Ökologische Bedeutung

Haie dokumentieren ein nahezu perfektes Evolutionskonzept in ihrer Funktionsmorphologie, Biologie und an Sin­nesleistungen. Sie sind die erfolgreichsten Jäger und Räuber der Meere an der Spitze der Nahrungsnetze, entscheidend wichtige Regu­lationsfaktoren in Ökosystemen der Meere und die schnellste wie effektivste Ge­sundheitspolizei.

Seit ihrer Entstehung haben sie sich zu den 'Herrschern der Meere' ent­wickelt, die außer ihresgleichen kaum natürli­che Feinde kannten, bis der Mensch natürli­che Gleichgewichte aus dem Lot brachte. Jede Art ist in ihrem Lebensraum ein wichtiger ökologischer Faktor, der maßgeblich zur Stabilität seines eingespielten und ausgeklügelten Ökosystems beiträgt. Gleichermaßen abhängig von ihrer Existenz ist dieses Gleichgewicht, das sich mit den Haien und Rochen als wichtige Räuber erst ausgeprägt hat.

Aber was würde denn wirklich passieren, was würde uns fehlen, wenn diese „gefährlichen“ Raubfi­sche fast oder ganz ausgerottet würden?

Studien zeigen, dass dort wo Haie fehlen bereits gravierende Änderungen festzustellen sind. So haben Untersuchungen in der Karibik die unterbrochenen Verbindungen zwischen den Stufen der Nahrungspyramide alarmierend aufgezeigt. Fehlen Haie im Lebensraum und damit die Regulierung von oben, konnten sich dominante Fischarten, hier eine Zackenbarschart, stark vermehren. Die vielen Zackenbarsche übten wiederum einen verstärkten Fraßdruck auf Algen fressende Fische aus, die daraufhin am Riff verschwanden. Die Folge war ein unkontrolliertes Wachstum der Algen, die die Riffe überwucherten und den Korallenpolypen das lebensnotwendige Licht raubten. Die Riffe starben ab.

Weit mehr noch als auf dem Lande stehen Nahrungsnetze und Ökosysteme im Meer in einem fein ausgependelten, sehr empfindlichen Gleichgewicht. Büßen Haie als Topräuber, Regulatoren und Gesundheitspolizei solcher Systeme ihre führende und alles prägende Rolle ein, bräche das Gleichgewicht zusammen, und eine Ketten­reaktion zum Einpendeln eines neuen Gleich­gewichts würde ausgelöst. Bisherige Beutefi­sche der Haie würden sich kurzfristig vermeh­ren, bis begrenzte Nahrung ihre vor­übergehend größeren Bestände kollabieren ließe. Entsprechendes geschähe weiter ab­wärts in der Pyramide der Meeresorganismen. Als erste bekäme die Fischerei die Folgen zu spüren, mit katastrophalen Folgen hauptsächlich für die arme Bevölkerung an den Küsten vieler Entwicklungsländer.

Unser Wissen um diese Zusammen­hänge und Konsequenzen ist leider zu be­grenzt, um genaue Vorhersagen machen zu können. Das Risiko ist aber zu unabsehbar für die Ozeane als Lebensmotor unseres Plane­ten, dass wir es einfach darauf ankommen lassen könnten. Die Verantwortung liegt bei uns, die Weltmeere gesund und in Vielfalt als Lebensgrundlage für die kommenden Generationen zu bewahren.

Auszüge aus dem Elasmoskop 2/97 © M. Stehmann
Fotos: Naussau-Zackenbarsch © Colin Zylka/Marine Photobank; Veralgtes Korallenriff © Steve Spring-Reef Rescue/Marine Photobank