Haie - Eine Erfolgsgeschichte

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Gut 400 Millionen Jahre dauert die erdgeschichtliche Existenz von Haien, Rochen und Chimären bereits an, das heißt 200 Millionen Jahre länger als das erste Auftreten der Dinosaurier. Auch andere Wirbeltiere wie Amphibien, Reptilien, oder gar Vögel und Säugetiere gab es zu Zeiten der Urhaie noch nicht. Cladoselache (Abbildung) und Hybodus, um zwei Beispiele zu nennen, sind ohne Zweifel als Haie zu erkennen. Sie hatten mehrere äußere Kiemenspalten und paarige Begattungsorgane an den Bauchflossen der Männchen. Sie besaßen Dornen vor den Rückenflossen wie heutige Dornhaie und große asymmetrische Schwanzflossen. Das Maul lag allerdings bei einigen am Kopfende, nicht wie bei fast allen heutigen Haien auf der Kopfunterseite.

Als vollständige Körperabdrücke oder Skelette erhaltene Fossilien solcher Urhaie sind jedoch selten. Ihr weiches Knorpelskelett verweste schnell, anders als Knochen, und meist ließen sie sich nur aus wenigen Hartstrukturen wie Zähnen, Dornen und den großen Wirbeln rekonstruieren. Ihre Herrschaft in den Meeren dauerte 200-300 Millionen Jahre mit einer erstaunlichen Formenvielfalt an. Direkte Nachkommen solcher vor 200 Millionen Jahren entstandener Haie leben heute noch in Gestalt von Grauhaien, Katzen- und Stierkopfhaien (Hexanchidae, Scyliorhinidae, Heterodontidae).

Seltener fossiler Abdruck mit Weichteilen von Hybodus sp. Museum für Naturkunde, Berlin © H. Zidowitz

Mit Fug und Recht darf man Knorpelfische, nämlich Haie, Rochen und Chimären, also 'lebende Fossilien' nennen, die dem legendären Quastenflosser (Latimeria) bei den Komoreninseln keineswegs nachstehen. Sie zählen zu den erdgeschichtlich ältesten Wir­beltieren mit einem Kieferapparat und haben sich von der Wurzel der Wirbeltierentwicklung bis heute in erstaunlicher Arten- und Formen­vielfalt erfolgreich behauptet. Damit doku­mentieren sie eines der erfolgreichsten biolo­gischen Konzepte in der Entwicklungs­geschichte der Wirbeltiere überhaupt.

Große Formenvielfalt

Mit annähernd 1200 lebenden Arten stellen sie zwar eine Minder­heit von nur 4% unter etwa 27 000 lebenden Fischarten, aber keine andere Wirbeltier­gruppe kann auf eine so lange anhaltende Erfolgsgeschichte zurückschauen. Mittlerweile kennt man knapp über 500 le­bende Hai-, über 640 Rochen- und gut 50 Chimärenarten. Diese Zahlen ändern sich noch, weil z.B. die Tiefwasserforschung immer wieder unbekannte Arten im Dunkelreich entdeckt. Ferner ergibt genauere Forschung oft, dass eine scheinbar weit verbreitete Art tatsächlich mehrere Arten darstellt.

Seit ihrem Erscheinen hat sich eine erstaunliche Vielfalt an Formen, Farben und Lebensweisen innerhalb dieser Tiergruppe entwickelt, und viele weichen stark vom „klassischen“ Haityp, wie etwa dem Weißen Hai, ab. Die kleinsten Haie sind gerade 20 cm lang, und die größten erreichen Körperlängen von über 15 m – der „durchschnittliche“ Hai wird etwa 1,20 m lang.

Etwa die Hälfte der Haiarten sind Tiefwasserformen und lebend kaum je zu erblicken. Die übrigen sind mehrheitlich im Flachwasser tropischer und subtropischer Kü­stenmeere bis 200 m Tiefe zu Hause, wie zum Beispiel die Riffhaie. Einige wenige Hoch­seehaie kommen oberflächennah weiträumig vor. Einzelne Haiarten leben zeitweilig oder dauernd im Brackwasser und sogar Süßwas­ser.

Spezielle Räuber

Raubfische sind sie allesamt, und einige wenige – die größten Haie und Rochen - ernähren sich von Plankton. Grundsätzlich gilt für alle Knorpelfische: Sie wachsen sehr langsam, werden durchschnittlich erst nach etwa 5-15 Jahren fortpflanzungsfähig, haben eine extrem niedrige Nachwuchsrate und er­reichen ein hohes Alter.

Auszüge aus dem Elasmoskop 1/97 © M. Stehmann