Hoffnung für den Weißen Hai?
07. Oktober 2004
CITES Artenschutzkonferenz in Bangkok diskutiert Schutzantrag für den Weißen Hai — aber auch viele andere Haiarten sind bedroht
Ein Ruf eilt ihm voraus, ist aber gemeinhin nicht der Beste. Die meisten Menschen bringen den Weißen Hai (Carcharodon carcharias) in Verbindung mit ihrer Ur-Angst vor der Bestie aus der Tiefe, das alles verschlingende Monstrum ohne Gewissen. Kurzum, je weniger davon die Meere unsicher machen, desto besser für alle. Meeresbiologen und Umweltschützer, aber auch viele Taucher beurteilen ihn jedoch gänzlich anders: Ein Paradebeispiel für einen Superräuber — ein Apex–Predator der Extraklasse, der vergeblich seinesgleichen sucht einer der großartigsten Meeresbewohner der ganz besonderen Art. Seit ca. 200 Mio. Jahren beherrschen Haie im Allgemeinen als erfolgreiche und in vielen Lebensräumen dominante Räuber die Meere und stellen ein wichtiges Regulativ für das ökologische Gleichgewicht der Ozeane dar.
Unter diesen stellt der Weiße Hai ein ganz besonders erfolgreiches Modell dar, ein wahrhaftiger Super–Räuber perfekt angepasst über Jahrmillionen. Er steht ganz oben an der Nahrungskette und kennt nur Beute, keine Feinde — außer seinen Artgenossen. Das entsprechende Rüstzeug trägt er im Gesicht, und in der Tat ist sein Gebiss, in anbetracht der immensen Größe seines Trägers, zu recht Furcht einflößend. Das vermeintlich starre, schwarze Auge tut sein Übriges, der Prototyp des Monsters ist komplett.
Als im Jahr 1975 der Film "Der Weiße Hai" das Publikum mit mit viel Suggestion in seinen Bann zog, fiel auch der Startschuss für ein beispielloses Schlachtfest. "Jeder tote Hai ist ein guter Hai!" lautete die Devise und über viele Jahre hinweg wurden nicht nur Weiße Haie gnadenlos gejagt und zur Strecke gebracht — Millionen Haie kamen im Rahmen dieser kollektiven Hysterie ums Leben...eine katastrophale Entwicklung nahm ihren Lauf...
Dabei waren und sind die realen Opferzahlen unter den Menschen verschwindend gering...eine unbegründete Angst. Damals war nur sehr wenig bekannt über Haie, und die mahnenden Stimmen der Haiforscher und Meeresbiologen verhallten ungehört. Mit den Jahren nahmen die Erkenntnisse über Haie zu, und ihre Empfindlichkeit gegenüber massiver Dezimierung wurde immer deutlicher.
Haie werden meist erst nach vielen Jahren geschlechtsreif und bekommen nur wenige Nachkommen, dazu sind sie als Räuber von Natur aus relativ selten. Somit können ganze Bestände innerhalb weniger Jahre aktiver, unregulierter Befischung kollabieren. Jedoch spielen sie eine überaus wichtige Rolle im natürlichen Gefüge des Lebens in den Weltmeeren. So mussten die Meeresbiologen und Umweltschützer weiterhin mit ansehen, wie über viele Jahre nicht nur durch Sportangler, sondern auch in der industriellen Fischerei Haie in gigantischem Ausmaß dahingerafft wurden. Hierzu trägt auch und in besonderem Maße das "Finning" bei, womit man die Methode bezeichnet, oft noch lebenden Haien die Flossen abzuschneiden und den restlichen Körper über Bord zu werfen. In Zeiten angestrebter Nachhaltigkeit bei der Nutzung natürlicher Resourcen eine nicht nur grausame sondern auch unverantwortlich verschwenderische Praxis. Die Flossen werden teuer nach Fernost verkauft, um dort zur deliziösen Haiflossensuppe verarbeitet zu werden ein hochprofitables Geschäft mit einem enormen Blutzoll für die Haie. Diese gelangen allzu oft als ungewollter Beifang an den Haken der Fischer und damit in ihr Verderben. Mittlerweile sind viele Haibestände weltweit massiv überfischt und dezimiert, weit über 100.000.000 Haie kommen alljährlich durch Menschen um — 30 Arten stehen bereits auf der Roten Liste bedrohter Arten.
Internationale Aktionspläne zum Schutz der Haie existieren bereits, und einzelne Länder haben Schutzmaßnahmen ergriffen, jedoch ist ohne umfassenden aktiven und internationalen Schutz keinerlei wirklicher Erfolg zu erwarten.
Und so richten sich die Augen der Umweltschützer und Meeresbiologen wieder einmal auf die Artenschutzkonferenz des Washingtoner Artenschutzabkommens CITES, welche alle zwei Jahre stattfindet und 2004 vom 2.–14 Oktober in Bangkok, Thailand tagt. Nachdem die von Deutschland für Anhang II vorgeschlagenen Arten Dornhai (Squalus acanthias) und der Heringshai (Lamna nasus) schon im Mai 2004 seitens der EU abgelehnt wurden, ist jetzt der Weiße Hai die einzige Haiart, die für eine Listung auf Anhang II von CITES von Australien und Madagaskar vorgeschlagen wurde und in Bangkok diskutiert wird.
Wegen ihrer außergewöhnlichen biologischen Merkmale sind Weiße Haie in besonderem Maße anfällig für Bejagung und Überfischung — erst nach 12–18 Jahren werden sie geschlechtsreif und bekommen nur alle 2–3 Jahre etwa 2–10 Jungtiere. Vieles ist noch unbekannt im Leben der Weißen Haie, so etwa wann und wo sie sich paaren und wo ihre Jungen zur Welt kommen.
Fest steht jedoch, dass die Zahlen in verschiedenen Regionen deutlich zurückgegangen sind — in Extremfällen bis zu über 90% — und dass die Art dringend Schutz bedarf. Bereits jetzt ist der Weiße Hai auf der Roten Liste bedrohter Arten als "Vulnerable" (Gefährdet) eingestuft und steht in Südafrika, Australien, den USA, den Malediven, Namibia und Malta unter Schutz. Sportfischer trachten den Haien nach dem Gebiss, welches als Trophäe Höchstpreise bis zu 50.000 US$ erzielen kann, und auch die Flossen sind begehrte Ware. Haischutznetze, die in Südafrika und Australien kilometerlange Strandabschnitte schützen sollen, fordern ein hohen Tribut nicht nur an Weißen Haien auch Schildkröten, Wale und Delphine gehen in ihnen zugrunde. Durch diese und durch Sportfischer, aber auch durch Thunfischfarmer, die die Weißen Haie als Bedrohung ihrer Zuchten sehen und sie jagen, kommen die meisten Weißen Haie ums leben. Allein in Australien — wo der Weiße Hai unter Schutz steht werden alljährlich ca. 500 Tötungen registriert. In Anbetracht der natürlichen Seltenheit eines Top–Räubers wie dem Weißen Hai ist diese Größenordnung mindestens als bedenklich einzuschätzen.
>So sind sich Meeresbiologen und Umweltschützer einig, was die Notwendigkeit der Einführung von Schutzmaßnahmen im Rahmen der CITES–Konferenz angeht, jedoch lassen erwatungsgemäß die traditionellen Fischereinationen wie z.B. Japan, China und Norwegen, aber auch südostasiatische Nationen bereits durchblicken, dass sie einen derartigen Antrag nicht unterstützen werden. Fischereiorientierte Länder sehen die Zuständigkeit bei Meerestieren und Fischereifragen grundsätzlich bei den Fischerei–Management–Behörden, welche durch entsprechende Maßnahmen den Schutz der betreffenden Arten sicherstellen sollen.
In diesem sensiblen Spannungsfeld, welches die Grundsatzproblematik unserer Zeit widerspiegelt — Ökologie versus Ökonomie — haben sich die Welternährungsbehörde der Vereinten Nationen (FAO) und die Naturschutzkonvention CITES im Laufe der letzten Jahre durch ein oft überarbeitetes "Memorandum gegenseitigen Verständnisses" einander einigermaßen angenähert, ohne dass dies sich jedoch im laufenden Verfahren der Konferenz sichtlich niederschlägt. Für die Fischereilobby steht viel auf dem Spiel, haben die regionalen und überregionalen Fischereibehörden doch traditionell das Monopol wenn es um die Erarbeitung von Begrenzungsbestimmungen geht — ein Mitspracherecht ist unerwünscht.
Jedoch handelten diese Behörden in der Vergangenheit nur allzu oft im eigenen Interesse, wobei der Anspruch an nachhaltige Nutzung der nachwachsenden Ressourcen der Meere oftmals verloren ging — im Resultat sind viele Fischbestände trotz Managements überfischt und z. T. kollabiert. Im Falle von Haien gibt es jedoch fast überhaupt keine Management–Bestimmungen und Regulationen, was eine Intervention durch andere Institutionen wie z.B. CITES logisch und wichtig macht. Ein Durchbruch gelang mit der Listung des Walhais (Rhincodon typus) und des Riesenhais (Cetorhinus maximus) auf Anhang II bei der letzen Konferenz von CITES 2002 in Santiago de Chile, dem jahrelange harte Diskussionen vorausgingen. Durch die Listung auf Anhang II wird der Handel mit Produkten der betreffenden Art dokumentiert und die exportierende Nation muss den Nachweis erbringen, dass dieser Handel die Herkunftspopulation nicht nachhaltig beeinträchtigt bzw. gefährdet.
Die Chancen stehen nicht besonders gut für den Weißen Hai, selbst wenn es zu einer Listung auf Anhang II kommen sollte — nirgendwo lassen sich Wilderei und illegale Fischerei besser vertuschen als auf dem Meer — schon jetzt ein Umstand, der vielen begehrten Meerestieren zum Verhängnis wird. Vielleicht spielt aber auch die grundsätzliche Akzeptanz oder Ablehnung eines Furcht einflößenden Raubtieres eine Rolle dabei, wie wertvoll uns eine Art erscheint — eine möglicherweise verhängnisvolle Einschätzung. Im ökologischen Gefüge der Ozeane ist der Weiße Hai ein unersetzliches Element von tragender Bedeutung — absolut unverzichtbar. Deutschland unterstützt gemeinsam mit der EU den Schutzantrag neben vielen anderen Ländern gegen eine breite Front, deren Ausmaß sich in den nächsten Tagen abzeichnen wird — eine symbolhafte Entscheidung steht bevor...
... und das nicht nur für den Weißen Hai.
Boris Frentzel–Beyme